[Lauchhammer] 29.06.2019 - "Ihr Name war Rita. Rita gehörte zu den ersten Gästen, die ich als Seelsorger begleitete, als ich vor neun Jahren mit diesem Dienst begann. Ich klopfte an die Tür ihres Zimmers, trat ein, stellte mich vor und fragte, ob ich ein wenig bei ihr verweilen dürfte. ,Ja', antwortete sie, ,aber machen Sie sich keine Hoffnung!' Ich musste innerlich schmunzeln, als ich mir einen Stuhl nahm, um mich an ihr Bett zu setzen. Nach etwa 20 Minuten verabschiedete ich mich. Sie sagte: ,Kommen Sie doch nächste Woche bitte wieder.' Ich kam wieder.'
Zunehmend öffnete Rita ihr Herz. Bei meinem dritten Besuch ließ sie mich an ihren inneren Gedanken teilhaben. Wir sprachen über das Leben, über ihr Leben, auch über das Sterben und den Tod und erreichten einen Punkt, an dem ich zu spüren glaubte, ihr ein Gebet anbieten zu sollen. Dankbarer als vermutet und sichtlich bewegt nahm sie dieses Angebot an und das Gebet in sich auf. Als ich Rita eine Woche später wieder besuchen wollte, war das Zimmer leer."
So oder so ähnlich können viele Geschichten erzählt werden, von denen der Hospizseelsorger Pastor Michael Götz in seiner Ansprache zum 10-jährigen Jubiläum des Hospiz Friedensau in Lauchhammer zu berichten wusste. Dabei erlebt er durchaus zunächst Zurückhaltung gegenüber einem Seelsorger in diesem Teil Deutschlands, wo für viele Menschen kirchliche Rückbindung und christlicher Glauben nicht mehr vorhanden sind.
Wohl auch deshalb war es ein Wagnis, in dieser ehemals vom Braunkohle-Tagebau und seinen verarbeitenden Betrieben geprägten Region als christliches Sozialwerk mit einem humanistisch orientierten ambulanten Hospizdienst als Partner gemeinsam ein Hospiz zu planen und zu bauen. Und warum sollte ausgerechnet ein "Sterbe-Haus" ein Hoffnungszeichen für die Region sein?
Doch gerade das wurde in den Fest- und Grußreden der Gäste dieses Jubiläumsfestes immer wieder hervorgehoben. Dieses Haus ist mehr als irgendeine soziale Einrichtung, es ist für die Menschen der Region etwas ganz Besonderes - ein Zeichen, dass am Ende keiner vergessen und im Stich gelassen werden darf. Das ist gerade dann wichtig, wenn das Leben eng wird und erst recht, wenn es an seine Grenzen kommt.
„Wer kam dann auf den verwegenen Gedanken, hier ein Hospiz zu bauen?“ fragte Lothar Scheel, Vorsitzender des AWW Hospiz Südbrandenburg e.V., in seiner Festansprache in Erinnerung an den Beginn der Hospizarbeit vor zehn Jahren und die Vorbereitungen dazu. Aber wenn Menschen an etwas wirklich Großes glauben, sich leidenschaftlich dafür einsetzen und gemeinsam mit anderen das ihnen Mögliche tun – dann kann Unmögliches entstehen. Viele Firmen, Spender, Kirchgemeinden und Sponsoren haben damals "Feuer gefangen" und zur Verwirklichung der knapp 1,5 Millionen Euro teuren Einrichtung in Lauchhammer beigetragen.
„Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben“ lautet das der englischen Begründerin der modernen Hospizbewegung, Cicely Saunders,zugeschriebene Motto des Hauses. Auf dieses Motto nahm auch Pastor Götz in seiner Ansprache Bezug. Die paradoxe Einsicht: „Nahe dem Tod sind wir dem Leben nahe“ mache deutlich, dass uns gerade im Angesicht der Endlichkeit der unendliche Wert des Lebens bewusst werde. „Leben ist Beziehung“, so Götz, „wir brauchen einander, um leben zu können“. Es sei ein großer Segen, nicht alleine sterben zu müssen, sondern in Begleitung von anderen Menschen. Bisher hätten dort rund 850 Menschen ihre letzte Lebenszeit in dieser letzten Herberge verbracht.
Das Hospiz Friedensberg in Lauchhammer bietet seit Juli 2009 sterbenskranken Menschen unabhängig von ihrer Konfession pflegerische Versorgung und soziale Begleitung an. Betrieben wird die Einrichtung gemeinsam vom Advent-Wohlfahrtswerk Berlin-Brandenburg e.V. und vom Hospizdienst Oberspreewald-Lausitz e.V. Das Advent-Wohlfahrtswerk (AWW) ist ein bundesweit tätiger gemeinnütziger Verein und bildet mit einer Reihe von sozialen Einrichtungen, Projekten, sozialen Initiativen und verschiedenen Tochter-Gesellschaften das Sozialwerk der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland.
Mehr erfahren unter www.hospiz-lauchhammer.de