[Neuburg/Donau] - 10.03.2021 Corona verhindert nicht nur vieles, sondern macht auch manches möglich. Z.B. blieb den Mitarbeiterinnen in der Heilpädagogischen Tagesstätte (HPT) in Neuburg endlich Zeit und Kraft für eine längst überfällige General-Aufräumaktion in der Einrichtung. Wann kommt man im Tagesgeschäft schon dazu? Und so ganz nebenbei entstand eine Projektidee, die viel Potential hat. Andrea Forster, Leiterin der Einrichtung, berichtet von ihrem neuen Projekt.
Bei der letzten Aufräumaktion in der HPT staunten wir nicht schlecht über die Unmenge von Kinderbüchern, die aus den verschiedenen Räumen in irgendwelchen Schränken und Kisten zum Vorschein kamen. Erst jetzt wurde uns bewusst, welchen Schatz wir da eigentlich haben. Freilich wurden die Bücher täglich von den Kindern genutzt. Einen Überblick über unseren Bestand und den Zustand der Bücher oder gar so etwas wie ein Ordnungssystem hatten wir jedoch nicht. Es gab auch keine Nutzungsregeln für die Kinder.
So gingen wir zunächst daran, die Bücher zu sichten, zu sortieren, zu reparieren und schließlich zu inventarisieren. Bücher, die nicht mehr brauchbar oder kaputt waren, wurden entsorgt. Doch wohin nun mit den vielen guten Büchern? Und wie könnten wir sie den Kindern noch besser verfügbar machen und damit die Bücher zielgerichteter und sinnvoller als bisher genutzt werden?
Schon länger war uns aufgefallen, dass viele Kinder zu Hause kaum, etliche auch gar keine Möglichkeit haben, auf Bücher zuzugreifen. In vielen Familien gibt es kaum Bücher und darum auch keine Lese- oder Vorlesekultur. Zudem ist es für Eltern oft viel einfacher, Kinder vor dem Fernseher oder Tablet zu parken.
Damit war nun die Idee geboren, eine HPT-internen Bücherei ins Leben zu rufen. Die Kinder könnten sich doch in ihrer Einrichtung entsprechend ihres Alters und Entwicklungsstandes und ihrer Interessen Bilder- und Lesebücher aussuchen und diese auch mit nach Hause nehmen. Damit ließe sich die Hoffnung verbinden, dass die Kinder in und mit ihren Familien wieder Bücher in die Hand nehmen und diese gemeinsam lesen bzw. Eltern ihren Kindern vorlesen. Das würde das Sprachverständnis und die Sprachbildung der Kinder fördern. Da wäre gerade für Kinder mit Migrationshintergrund und auch ihre Eltern eine tolle Möglichkeit, die deutschen Sprache näherzubringen und könnte zudem das Familienlenleben ungemein anregen und festigen. Darüber hinaus würde die Ausleihe das Verantwortungsbewusstsein der Kinder stärken. Die Bücher müssen ja gut behandelt und am Ende nach der vereinbarten Zeit und ordentlich zurückgegeben werden.
Die Idee nahm schließlich Gestalt an und wurde zum Konzept. Zunächst wurden Bücher für die Ausleihe ausgewählt, eingebunden, nummeriert und auf Karteikarten eingetragen, die nun die Karteikästen füllten. Die Kinder erhielten einen Bücherei-Leseausweise, den ersten in ihrem Leben, worauf sie sehr stolz waren.
Inzwischen hatten wir noch verschiedene Bücherspenden erhalten, sodass unsere Kinderbücherei schon ansehnlich gewachsen ist. Nun fehlten nur noch Büchertaschen, die wir gemeinsam mit den Kindern gestalten, sodass die Kinder die Bücher sicher mit nach Hause nehmen können.
Am Dienstag, 02.03.2021 war es dann endlich soweit. Gemeinsam mit den Kindern wurde die Bücherei mit einer kleinen Veranstaltung eröffnet. Dazu trafen wir uns in unserer Turnhalle und besprachen mit den Kindern als Einstieg das Buch „Der Regenbogenfisch“. Im Anschluss wurden mit den Kindern die Regeln für die Ausleihe besprochen, die Eltern wurden über die Bücherei informiert und unterzeichneten eine Einverständniserklärung. Die Kinder konnten es kaum erwarten, sich ein Buch für zu Hause auszusuchen. Sie wurden auch schnell fündig und zogen glücklich davon.
Bei weiteren Recherchen, welche Unterstützungsangebot es für unsere Kinder noch gibt, sind wir auf den Integrationsrucksack der bayerischen Integrationsbeauftragten Frau Gudrun Brendel-Fischer gestoßen. Der Integrationsrucksack ist eine Zusammenstellung aus Vorlesebüchern und Fördermaterialien für Kinder im Kita-Alter, die besondere Unterstützung in ihrer Sprachentwicklung im Deutschen brauchen. "Wir wollen damit ein Zeichen setzen für den Wert des Vorlesens und möchten damit insbesondere Kinder mit Defiziten im Deutschen erreichen.", so heißt es in einer Erklärung der Integrationsbeauftragten (Quelle: Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung | Integrationsrucksack an Mütter- und Familienzentren übergeben (bayern.de))
Auf Nachfrage bei der Integrationsbeauftragten erhielten wir die Zusage von zehn Integrationsrucksäcken für unser Projekt mit Kindern mit Migrationshintergrund und Sprachentwicklungsstörungen. Sie werden in Kürze geliefert.
Was haben wir noch vor? Sobald sich die Lage um Corona entspannt hat, wollen wir begleitend zu unserer Bücherei Vorlesenachmittage mit anschließender Ausleihe anbieten. Das kann die Eltern-Kind-Interaktion enorm fördern, was auch Sinn und Zweck der Integrationsrucksäcke ist.
Wir freuen uns, dass unsere Bücherei so großen Anklang findet und von den Kindern derart begeistert angenommen wird.
Wer Kinderbücher in gutem bis sehr gutem Zustand für unsere Bücherei spenden möchte, ist uns herzlich willkommen. Eine kurze E-Mail an uns reicht für die erste Kontaktaufnahme.
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