[Leipzig] 01.05.2019 - Vor 25 Jahren, am 1. Mai 1994, öffneten sich zum ersten Mal die Türen des „Übernachtungshauses für wohnungslose Frauen der Stadt Leipzig“ für vier Frauen. Das vorgelegte Betreiberkonzept hatte die Verantwortlichen im Sozialamt Leipzig überzeugt und das Übernachtungshaus für wohnungslose erwachsene Frauen mit 24 Plätzen unter Leitung von Blanka Schuchardt wurde in die Trägerschaft des Advent-Wohlfahrtswerk e.V. übergeben.
In den vergangenen 25 Jahren haben hier etwa 2000 Frauen übernachtet. Auffällig ist der stetig größer werdende Anteil sehr junger Frauen. Aber auch Frauen im Rentenalter kommen ins Übernachtungshaus, weil sie keine eigene Wohnung mehr haben, .
Waren in den 90iger Jahren oft Mietschulden durch Alkoholabhängigkeit Ursachen für den Wohnungsverlust, sind es heute eher Drogenabhängigkeit oder chronisch psychische Erkrankungen. Angehörige, die in der Regel von den Problemen mit betroffen sind, versuchen zunächst zu retten was zu retten ist. Meistens jedoch ohne Erfolg, denn ohne den festen Willen der Betroffenen und ohne fachliche Hilfe ist eine Verhaltensänderung kaum möglich. Mit dem Verlust der Wohnung, verlieren die Frauen schließlich auch ihren sozialen Rückhalt durch Familie, Freunde und Bekannte. Irgendwann kommt es zur Zwangsräumung durch Mietschulden, oft nach der Trennung vom Partner oder durch Konflikte mit der Familie oder mit Freunden und Bekannten. In den letzten Jahren waren zunehmend Frauen mit Migrationshintergrund betroffen.
Leipzig ist die am schnellste wachsende Stadt Deutschlands. Es wird viel gebaut, die Stadt verdichtet sich. Dennoch fehlt es an bezahlbarem Wohnraum für jene, die ansonsten kaum noch etwas haben. Kommen Schulden oder ein negativer Schufa-Eintrag hinzu, winken selbst sozial eingestellte Vermieter ab. Die steigende Nachfrage durch Studierende, junge Familien und Geflüchtete schafft eine zusätzliche Konkurrenzsituation der die obdachlosen Frauen nicht gewachsen sind.
Die Frauen erhalten im Übernachtungshaus zunächst Soforthilfe durch eine menschenwürdige Unterkunft mit einem sauberen Bett, Essen, Kleidung und Möglichkeiten für Hygiene. Darüber hinaus finden sie Verständnis und erleben Respekt. Sie fassen Vertrauen - eine wichtige Voraussetzung um die eigenen Ressourcen zu aktivieren. Gemeinsam mit Sozialarbeitern wird ein individueller Hilfeplan erarbeitet mit Zielen und konkreten Schritten. Zu den ersten Schritten gehört z.B. einen Personalausweis zu beantragen, einen Termin beim Fallmanager zu vereinbaren oder zum Arzt zu gehen. Weiter Schritte sind nötig, wie die Vermittlung einer gesetzlichen Betreuung oder einer stationären Entgiftung bei Alkohol- und Drogenabhängigkeit. Dennoch schaffen es die wenigsten Frauen, tatsächlich wieder in die eigenen vier Wände zu ziehen. Oft ist das auch nicht mehr möglich, weil die Probleme zu komplex und Grundvoraussetzungen einer eigenen Haushaltsführung nicht mehr vorhanden sind. Es scheitert bereits daran, regelmäßig den Müll zu entsorgen oder die Post zu öffnen.
Die Frauen sind in der Regel einige Tage, gelegentlich auch mehrere Wochen und Monate, manche sogar über Jahre im Übernachtungshaus. Die wenigsten von ihnen sind den Anforderungen des Alltags trotz eines guten Netzes gesellschaftlicher Hilfsangebote gewachsen und bleiben somit dauerhaft auf Hilfe angewiesen. Wenn es eine Frau trotz aller Widrigkeiten zurück in ein selbstbestimmtes Leben mit eigener Wohnung geschafft hat, ist das der größte Lohn für alle Mühe und eine große Freude auch für die Mitarbeiterinnen des Übernachtungshauses.
In den 25 Jahren ist ein Netzwerk der Hilfe und Zusammenarbeit entstanden. Es gibt viel Hilfe und Unterstützung von Ämtern, von anderen sozialen Einrichtungen, von Vereinen und privaten Spendern und aus der Adventgemeinde in Leipzig sowei anderen Kirchgemeinden.
Leiterin der Einrichtung ist die diplomierte Sozialwissenschaftlerin Frau Stefanie Nemczak, die sich gemeinsam mit ihrem Team mit viel Elan und Engagement 7 Tage in der Woche den vielfältigen Aufgaben in der Arbeit mit den wohnungslosen Frauen stellt. Motiviert sind sie trotz vieler vergeblicher Bemühungen durch die Worte Jesu „ich bin wohnungslos gewesen und ihr habt mir ein sauberes Bett und zu essen gegeben“ (nach Mt. 25,35.36). Deshalb wird das Übernachtungshaus auch weiterhin für Frauen offenstehen, die Hilfe und Zuflucht suchen – immer in der Hoffnung, dass sie eines Tages vielleicht doch wieder ein eigenes Zuhause haben und zurückfinden in ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben.