[Görlitz] - 07.04.2022 Seit Beginn des Krieges sind Tausende Geflüchtete aus der Ukraine über Görlitz in andere Zielorte weitergereist. Einige Hundert sind hier jedoch ausgestiegen und geblieben oder sie sind gezielt nach Görlitz gekommen. Manche wurden von Helfern auch direkt hierhergeholt. Alle diese Menschen fanden zunächst Herberge in privaten Quartieren. Dort wurden sie versorgt und bei ihren ersten Schritten in der Fremde begleitet.
Heike Gelke, Leiterin des Nachbarschaftszentrums "Lebensschule", berichtet hier von ihren Erfahrungen und Erlebnissen der letzten Tage.
Auf Initiative der bündnisgrünen Landtagsabgeordneten Franziska Schubert konnte in deren Büro sehr schnell eine Koordinierungsstelle eingerichtet werden, um direkte Angebote von Quartieren zu vermitteln, Erstinformationen weiterzugeben und in Abstimmung mit der Landkreisbehörde Registrierungen vorzunehmen. Viele Freiwillige unterstützen die Arbeit der Koordinierungsstelle stundenweise. Hier entstand auch die Idee, den Menschen im AWW-Nachbarschaftszentrum „Lebensschule“ Görlitz einen Begegnungsraum zur Verfügung zu stellen und ihnen dort bei der Bewältigung der alltäglichen Fragen und Herausforderungen zu helfen. Über die sozialen Medien wurde dieses Angebot verbreitet. Das erste Treffen fand am 21. März statt. Über neunzig Frauen, Männer und Kinder fanden sich ein. Dass so viele kamen, hat uns sowohl erfreut als auch überrascht – und etwas erschreckt, war doch die 7-Tage-Inzidenz nie höher als in dieser Märzwoche. Aber alles ging gut, es war wunderbar, teilweise auch still und andächtig. Unsere Gäste waren enorm wissbegierig und zugleich überaus diszipliniert.
Eine große Ladung gespendeter Kleidung fand dankbare Abnehmerinnen und Abnehmer. Das bunte Treiben in den Räumen der Lebensschule zeigte, wie wichtig – buchstäblich notwendig – solche Begegnungsmöglichkeiten sind. Die große Unsicherheit auf Seiten übermüdeter Mütter, verängstigter Kinder und überlasteter Dolmetscherinnen und Dolmetscher war nicht zu übersehen. Wir versicherten, dass wir für sie und ihre Männer, Väter und Söhne um Schutz beten und uns dafür einsetzen wollen, dass alle Angekommenen in Görlitz gut zur Ruhe kommen können, um hier Fuß zu fassen.
Inzwischen fand bereits das dritte Treffen statt und wir nehmen schon Veränderungen wahr: Die Mütter beginnen zu lachen und zu erzählen. Und vor allem die Kinder lieben es, zu essen und zu trinken. Eine Freundinnengruppe aus Görlitz kommt sonntags zum Backen zusammen und liefert den Kuchen für das jeweils am Montag stattfindende Treffen. Olha und Lena haben dafür längst den Küchendienst übernommen. Natalya kümmert sich mit ihrer zehnjährigen Tochter Maria und dem kleinen Hündchen Teddy um die Betreuung der Kinder. Und Dasha greift zur Gitarre und lässt sie wunderbar erklingen. Inzwischen hat sie ein Leihinstrument – ihre eigene Gitarre konnte sie nicht mitnehmen. Zwei Sängerinnen fragten bereits nach einem Auftritt für ein A-cappella-Konzert, das sie zugunsten der Ukrainehilfe gemeinsam mit anderen geben möchten. Zwei Lehrerinnen für Deutsch und Englisch wünschen sich so sehr, schnell wieder arbeiten zu können.
Viele Herausforderungen müssen bewältigt werden. Eine Menge Formulare sind auszufüllen, um beim Termin in der Behörde gut vorbereitet zu sein. Dass dies hier in der Lebensschule möglich ist, löst bei unseren ukrainischen Gästen große Dankbarkeit aus – und auch bei uns.