[Leipzig] – 08.02.2023 Der Jahresbericht des Übernachtungshauses für wohnungslose Frauen liegt vor. Er beschreibt eine gesellschaftliche Entwicklung, die betroffen und nachdenklich macht. Immer mehr Frauen in unserem Land schaffen es nicht mehr, ihr Leben in der Mitte der Gesellschaft zu leben. Es treibt sie an den Rand und in die Armut, aus der es nur schwer ein Entrinnen gibt.
So nutzten im vergangenen Jahr 145 Frauen mindestens einmal das Übernachtungshaus für wohnungslose Frauen in Leipzig, eine Einrichtung mit insgesamt 24 Betten. Zwar waren es 8 Frauen weniger als 2021, aber im Zeitraum von 10 Jahren ist die Anzahl der Übernachtungen dennoch um etwa 77 % gestiegen. Viele Frauen bleiben nur eine Nacht, andere bis zu mehreren Monaten. Im Durchschnitt sind es 50 Tage im Jahr. Einige sind allerdings schon seit Jahren da.
Wohnungslosigkeit betrifft Frauen jeden Alters, wobei die Gruppe der 26 – 45jährigen am stärksten vertreten ist. Die Frauen kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten, nicht nur aus Leipzig, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet. Viele sind nur auf der Durchreise. Etwa 15% der Frauen kamen aus EU- und Drittstaaten. Insgesamt waren 16 Nationen vertreten, etwa jede fünfte hat einen Migrationshintergrund.
38 % der Frauen beziehen Bürgergeld, etwa 22 % bestreiten ihren Lebensunterhalt durch Einkünfte wie Erwerbsminderungs- und Altersrente oder auch durch Erwerbsarbeit und über 40 % haben keinerlei geregelte Einkünfte. Diese Tendenz ist steigend.
Fragt man nach den Gründen für die Aufnahme im Übernachtungshaus, so zeigt die Statistik einen Anstieg der fristlosen Kündigungen der Wohnung infolge von mietwidrigem Verhalten (von 8% auf 19 % in 2022). Ebenso sind die Trennung vom Partner bzw. Konflikte mit der Familie oder Freunden und Bekannten und dem anschließenden Verweis aus der Wohnung (kein Eintrag der betroffenen Frau im Mietvertrag) Gründe für Wohnungslosigkeit. Weitere Gründe sind längere stationäre Krankenhausaufenthalte, keine Unterbringungsmöglichkeit in spezialisierten Notunterkünften für Drogenabhängige, Haftentlassung, Durchreisende, vorübergehende Wohnungslosigkeit durch Wohnungsbrand oder Wasserschaden, Schlüsselverlust u.ä.
Knapp 80 % der Frauen haben zudem gesundheitliche Probleme. Viele von ihnen weisen Verhaltensauffälligkeiten auf oder sind psychisch krank. Meist befinden sich diese Frauen weder in ärztlicher Behandlung noch haben sie die dafür notwendige Krankheits- und Behandlungseinsicht. Auch Suchterkrankungen (Alkohol und Drogen) spielen bei etwa ¼ der Frauen eine Rolle. Behinderungen oder Schwangerschaften spielen eine eher untergeordnete Rolle.
Auch wenn das Bereitstellen eines sauberen und sicheren Schlafplatzes, die Möglichkeit zur Ruhe zu kommen und das Sichern einer finanziellen Lebensgrundlage zunächst Vorrang haben, geht es den Mitarbeiterinnen doch auch darum, den Frauen auf ihrem Weg möglichst zurück in ein selbstbestimmtes Leben mit Erwerbsarbeit und eigener Wohnung zu unterstützen. Auch die Vermittlung in geeignete Hilfestrukturen, Therapien oder Behandlungen gehört dazu.
Die Arbeit im Übernachtungshaus ist für die Mitarbeiterinnen äußerst herausfordernd und emotional belastend, denn die bedrückenden Einzelschicksale gehen an keinem spurlos vorbei. Deshalb sind angemessene Arbeitsstrukturen und Angebote bzw. Maßnahmen der Selbstfürsorge unverzichtbar. In jedem Fall gilt allen Mitarbeiterinnen eine uneingeschränkte Anerkennung für ihren Dienst in der Einrichtung für Frauen in Not.